Der Walkman WM-D6C-Professional soll schon etwas Besonderes sein:
Gebaut im Zeitraum zwischen 1985 bis 2001 kann das Gerät neben dem reinen Abspielen von Kassetten auch Aufzeichnen. Dies ist über ein externes Mikrofon oder die Line-IN Anschlussbuchse möglich (Bild 5). Die Aufzeichnungsqualität und Aussteuerung lässt sich dabei sogar einstellen und überwachen (Bild 6).
Zur Verbesserung der Abspielqualität verfügt das Gerät über Dolby B und C (Bild 2). Zusätzlich gibt es noch einen Drehknopf, über den die Bandlaufgeschwindigkeit leicht angepasst werden kann (Bild 5).
Soviel zu den Vorschusslorbeeren.
Ich bekam das Gerät auf den Tisch, da es keinen Mucks mehr von sich gab.
Bildergalerie: Die Bedienelemente
Das Innenleben
Nach dem Öffnen des Walkman kam das altvertraute Bild einer teils handverlöteten Platine zum Vorschein: Aufpassen, dass keine Kabelverbindungen beschädigt werden, war nun angesagt!
Auch die winzigen Schrauben erfordern eine ruhige Hand und manchmal auch das Luftanhalten, damit die nicht gleich wegfliegen.
Bild 8 Detailfoto einer winzigen Schraube.
Unter der Platine zeigt sich die Antriebstechnik mit Motor (1), Capstan (2, Band-Transportwelle mit Schwungrad) und dem komplexen Getriebe (3), den Schaltgestängen und Hebelwerken, die neben dem manuellen Schalten auch zur Überwachung des Bandablaufs und zur Motorabschaltung (4) bei Bandende oder Stau dienen.
Fehlersuche
Schnell konnte folgender festgestellt werden:
- Der Riemen zwischen dem Capstan (Bild 9.2) und der mechanischen
Bandendabschaltung (Bild 9.5) war zu schlaff - Die Reibräder waren zu stark ausgehärtet, so dass es zum Durchrutschen der
Drehübertragung kam - Eine Achse des Hebelwerks war fest
Reparatur
Ein Ersatz für den Riemen und das Reibrad konnten mittels 3D-Druck hergestellt werden. Die Teile wurden aus dem hochelastischen TPC-Filament gedruckt. Es ist gummiartig und hat einen erhöhten Reibwert und ist damit zur Drehmomentübertragung gut geeignet. Um das Filament überhaupt drucken zu können, hatte ich bereits für ein früheres Projekt einen Spezialdruckkopf entwickelt, der hier wieder zum Einsatz kam.
Info: 3D-Druck einer Gummidichtung
Wir stießen bei der Reparatur von Geräten schon häufig auf das Problem, dass Gummidichtungen oder auch Riemen, wie sie z.B. in Kassettenrekordern oder Walkman® Playern vorkommen, einfach nicht mehr zu beschaffen oder sehr teuer waren.
Als passionierter 3D-Drucker-Anwender wollte ich wissen, ob man diese Dinge nicht auch gleichwertig selbst herstellen kann. Warum nicht, sollte man meinen.
Ein größeres Problem war die festsitzende Achse des Reibrades. Sie war komplett unbeweglich und ließ sich auch nicht abziehen.
Hier war Geduld angesagt: Mittels Kriech-Öl und Wärmezufuhr mit einem Lötkolben dauerte es mehrere Stunden bis die Achse sich lockerte und die Rückzugsfeder auch wirken konnte .
Nach dem Zusammenbau stellte sich heraus, dass die Bandkassette zwar anläuft, jedoch kurz danach wieder abschaltet. Ursache dafür war eine verschmutzte Optik in der automatischen Bandabschaltung (Bild 9.4) und ein übergesprungenes Teil im Hebelwerk der mechanischen Bandendeerkennung.
Das nachfolgende Bild 11 zeigt, die betroffenen Komponenten.
Zur Funktion: Das Zahnrad Bild 11.1 steckt auf der rechten Aufwickelspule der Bandkassette. Das darauf befindliche Hebelsystem ist reibschlüssig mit dem Zahnrad verbunden und wird über den Riemen und einem Reibrad angetrieben. Sobald sich die Aufwickelspule der Bandkassette nicht mehr dreht, weil z.B. das Bandende erreicht ist oder die Kassette hängt, der Motor aber noch läuft, beginnt der Mechanismus zu wirken und gibt mit dem Hebel 2 im Bild 11 den gedrückten Play-Taster wieder frei.
Um die Funktion des Mechanismus einmal zu zeigen, habe ich ein kleines Video erzeugt, das man sich hier ansehen kann.
Zum Abschluss der Reparaturarbeiten wurde die Mechanik an den Achsen geölt und an den Hebelübergängen gefettet. Dabei wurde natürlich nicht-harzendes Öl verwendet.
Danach erfolgte die Einstellung der Capstan Vorspannung mittels des Befestigungsbügels (Bild 11.3) nach Herstellervorgabe: Schraubenvorspannung lösen, Stromverbrauch des Walkman messen und während des Hineindrehens der Schraube auf den Punkt achten, bei dem der Stromverbrauch sprunghaft ansteigt. Dann eine Viertelumdrehung zurückdrehen.
Der elektrische Abgleich der Bandgeschwindigkeit wurde mit einer Test-Bandkassette durchgeführt. Diese Kassette enthält Sinus-Tonsignale konstanter Frequenzen, die mit einem Sinusgenerator bei definierter Ausgangsspannung (0 dB) über die LINE-IN Buchse mit einem anderen Kassettenrekorders aufgezeichnet wurden. Durch das Abspielen der Kassette auf dem Walkman und Messung der Spannung und Frequenz des Tonsignals am LINE-OUT Ausgang mit einem Oszilloskop, konnte über ein Poti die Bandgeschwindigkeit so eingestellt werden, dass sich die richtige Tonfrequenz ergab. Das wurde in Mittelstellung des Bandgeschwindigkeits-Knopfes (Bild 5.1) gemacht, so dass man später die Bänder auch
etwas schneller oder langsamer abspielen kann.
Ergebnis
Ich muss schon zugeben: Ich war erstaunt über die gute Klangqualität und die Dynamik des D6C!
Auch der Test einer Tonaufzeichnung übertraf meine Erwartungen. Mit dem Drehknopf in Bild 6 und dem darunter befindlichen Schiebeschalter 0dB .. 20dB konnte ein Übersteuern der Aufnahme leicht vermieden werden.
Trotz des enormen Zeitaufwands von über 25 Stunden hat sich die Reparatur aus meiner Sicht gelohnt und der Eigentümer des Gerätes wird damit bestimmt noch viel Freude haben!
Autor
Peter Klemm
Seit 2019 im Repair Café, sowie dem digitalen Makerspace im Kulturforum Hanau (Stadtbibliothek) ehrenamtlich aktiv.
Selbständig seit 1993 im Bereich Entwicklung Maschinenbau / Mechatronik / Software (Windows). Setze seit 2008 den 3D-Druck in diesen Bereichen ein und gebe auch meine Erfahrungen gerne weiter.
Weitere Einzelheiten auf meiner Website: https://repair-labor.de
Kontakt E-Mail: peter.klemm@repair-labor.de
Bildnachweis: Alle Bilder in diesem Beitrage wurden von Peter Klemm zur Verfügung gestellt, wenn nicht anders angegeben.
Walkman ist eine Marke der Firma Sony für ein tragbares Abspielgerät von Musik (u. a. in Form von Kassetten, CDs, MiniDiscs oder auch MP3- und Video-Dateien), das als kassettenbasiertes Gerät erstmals 1979 auf den Markt kam und in der Folge weltweit unter Jugendlichen Kultstatus erreichte. In den Umgangssprachen mancher Länder ist der Markenname inzwischen zum Gattungsnamen geworden (unabhängig vom Hersteller). … Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Walkman